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Wann ist ein Mann ein Mann? Herbert Grönemeyer hat sich das schon vor über 40 Jahren gefragt. Und ähnlich wie in seinem Kultsong „Männer“, aus dem diese Zeile stammt, haben wir eine Frage an unsere Dad’s Life Community formuliert. Ausschlaggebend für diese Frage war ein Gespräch unter zwei Freunden, bei dem der eine lautstark bemerkte, aus seinem Sohn solle „ein richtiger Mann werden“.
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Mehr InformationenUm alle Facebook-Kommentare richtig einzuordnen, haben wir uns diesmal Unterstützung geholt. Jakob Allinger ist Life Coach und einer der Founder von CoBros. Dieser gemeinnützige Verein hat sich zur Aufgabe gesetzt, veraltete Rollenbilder durch zeitgemäßere zu ersetzen und Männern durch Workshops und Aufklärungsarbeit jungen Männern gute Orientierung zu geben. Für uns hat Jakob fünf der meistdiskutierten Kommentare im Interview noch einmal eingeordnet und kontextualisiert.
Ein echter Mann ist ein Gentleman
„Meinem Sohn sage ich mantramäßig: Sei ein Gentleman. Zur Mama, zu deinen Schwestern und zu allen anderen auch.“
Dad Norb
JAKOB ALLINGER: Wenn wir das Wort Gentleman aufdröseln, dann steht „gentle“ für zart, behutsam, einfühlsam, sanftmütig. Das sind Eigenschaften, die nicht urtypisch männlich sind, sich also von der archaischen Männlichkeit unterschieden. Diese Eigenschaften sind grundlegend in allen Menschen vorhanden, egal welches Geschlechts, werden bei Männern aber oft durch Sozialisierung und Beruf zurückgedrängt.
Wir bei CoBros bemühen uns, solche Aspekte der Männlichkeit zu stärken. Stichwort fürsorgliche Männlichkeit: Es geht darum, dass man eine bessere Verbindung mit sich selbst herstellt, seine eigenen Bedürfnisse und Gefühle verstehen lernt. Denn wer sich selbst besser kennt, kann das dann auch an die nächste Generation, sprich seine Kinder, weitergeben.

Ein echter Mann zeigt Gefühle
„Für seine Familie da sein, auch für seine Kinder, egal ob sie im Haushalt leben oder nicht. Gefühle zeigen, vor allem vor seiner Frau.“
Dad David
JAKOB ALLINGER: Gefühle zeigen ist eigentlich der zweite Schritt. Der erste Schritt ist das Annehmen. Wie gehen wir mit unseren Emotionen um? Wir kommen nicht mit einem Werkzeugkoffer voller Coping-Strategien auf die Welt. Alles runterzuschlucken oder Gefühle mit Alkohol zu betäuben sind bei uns Männern weit verbreitete Coping-Strategien. Die Frage ist halt: Sind diese Strategien dienlich?
Wie wir mit unseren Gefühlen umgehen und diese zeigen, hängt aber auch stark von unserem sozialen Umfeld ab. Auf der Baustelle geht es anders zu als bei einem von unseren Workshops. Doch ich bin überzeugt, dass wir unseren Gefühlen mehr Raum und Zeit geben dürfen – und das in einer Zeit, in der die soldatische Männlichkeit immer noch die Gesellschaft prägt, aber sich gleichzeitig fürsorgliche Männerbilder ausbreiten. Und wenn wir privat damit anfangen, erreicht dieses Denken dann auch öffentliche Orte.
Dabei geht es nicht immer nur um die Frage „Dürfen Männer in der Öffentlichkeit weinen?“ Es gibt ein so breites Spektrum an Gefühlen. Was ist mit „aus dem Herzen kommender Freude“? Das ist etwas, das uns oft abtrainiert wird. Ganz im Unterschied zu den Kindern, wo man diese authentische Freude noch sieht. Diese Freude kann einem viel Energie geben. Deshalb versuchen wir bei den CoBros die Bandbreite an Gefühlen aufzuzeigen und lernen, diese zuzulassen, um daraus viel Positives fürs Leben mitzunehmen.
Ein echter Mann ist handwerklich geschickt
„Abgesehen von den ganzen charakteristischen Eigenschaften, die hier genannt wurden, finde ich noch wichtig, dass ein Mann handwerkliche Fähigkeiten besitzt. Sprich, er sollte in der Lage sein, eine Lampe aufzuhängen, die Wand streichen, Möbel zusammenzubauen und das Equipment dazu zu besitzen. Darüber hinaus sollte er auch seine Finanzen im Griff haben. Das heißt nicht, dass er reich sein muss, aber er sollte irgendwo realistisch sein Einkommen mit seinem Lebensstil in Einklang bringen und nicht in einem Sumpf aus Otto-Raten und Klarna-Zahlpausen versinken.“
Dad Arthur
JAKOB ALLINGER: Hier kommt es stark auf den Kontext an. Und Kontext heißt in diesem Sinn, in welchem sozialen Milieu bewege ich mich denn eigentlich. Wir sind sicher gesellschaftlich in einer Phase, in der viele Dinge neu ausgehandelt werden und berechtigterweise Kritik am klassischen Patriarchat geübt wird. Das heißt aber nicht, dass man alles kritisieren muss, nur weil es traditionellen Rollenbildern entspricht.
Es schadet niemandem, wenn man eine Wand streichen, eine Lampe wechseln, einen Reifen reparieren kann oder einfach einen Zugang zu handwerklicher Tätigkeit hat. Vor allem, weil wir in unserer „All-Inclusive-Gesellschaft“ den Bezug zu solchen Dingen immer mehr zu verlieren drohen. Ich glaube nicht, dass jeder Mann Reifenwechseln können muss, aber der Sinn für die Dinge, das Verständnis für die Arbeit, die hinter jedem Produkt steckt, soll nicht verloren gehen.

Ein echter Mann ist wie eine echte Frau
Ein echter Mann ist jemand, der weiß, was sich gehört, im Sinne einer Art allumfassenden Tugendhaftigkeit, der eine eigene Meinung hat, für die er einstehen kann. Jemand, der sich für seine Familie und Freunde einsetzt. Jemand, der weiß, wer und was er ist, und das, ohne sich von Konventionen in ein Bild pressen zu lassen. Nachsatz: Im Übrigen alles Dinge, die ich auch einer Tochter sagen würde, wenn ich eine hätte.
Dad Julian
JAKOB ALLINGER: Wir sollten weniger in Geschlechterkategorien denken und mehr der Frage nachgehen, was braucht es in unserer Gesellschaft? In der Unternehmensführung gibt es den Spruch: „Structure follows Strategy“. Bevor ich mir überlege, wer welche Tasks ausführt und welche Haltungen diese Personen einnehmen, muss ich mir überlegen, wo ich denn eigentlich hinwill: Und das kann auch auf die Gesellschaft übertragen.
Wenn ich das nochmals konkret machen will, gibt es gesellschaftliche Werte, die wichtig sind. Mindestnormen, auf denen man sich als Gesellschaft einigt und die unverrückbar sind. Daneben bleiben aber Bereiche, die man immer wieder neu aushandelt. Meine Eltern haben sich zum Beispiel stark an den Zehn Geboten orientiert. Ich würde sofort fünf Punkte finden, die ich daran kritisieren und fünf Punkte, die ich unverzüglich unterschreiben könnte. Es braucht diese Auseinandersetzung, damit das funktioniert.
Auch bei der Frage, welche Rolle ich als Mann, als Vater, als Mensch oder was auch immer einnehmen soll, ist es wichtig, nicht irgendwelche Dogmen unhinterfragt zu übernehmen. Aber eine gewisse Orientierung an den für die Gesellschaft nützlichen Grundnormen ist vorteilhaft.

Jakob Allinger ist einer der Founder von CoBros.
Ein echter Mann ist für jeden etwas anderes
Den Mann gibt es nicht.
Dad Thomas
JAKOB ALLINGER: Bei den CoBros geht es nicht darum zu definieren, was ist ein richtiger Mann ist. Diese Frage beantwortet auch bei uns jeder für sich anders. Unser Anspruch ist hingegen das Auseinandersetzen mit dem eigenen Leben, mit den Rahmenbedingungen. Was hat einen als Mensch geprägt und wo will ich denn eigentlich in meinem Leben hin? Wie kann ich ein gutes und glückliches Leben führen, von dem nicht nur ich was habe, sondern auch andere Menschen? Auf diese Fragen würdest du bei den CoBros sehr ähnliche Antworten kriegen. Es gibt aber gewisse Grundhaltungen, die wir als nützlich für einen Mann sehen würden. Diese orientieren sich an unseren CoBros-Grundwerten: Gemeinschaft, Achtsamkeit und Verwirklichung.
Punkt 1: Gemeinschaft. Wir treten gegen das Lone-Wolf-Syndrom an. Es gibt viele Statistiken, die zeigen, wie wenige Männer eigentlich einen besten Freund haben: jemanden, mit dem sie wirklich reden können. Wir wollen diese Lücke füllen und einen Raum schaffen, wohin man sich wenden kann, egal ob es einem gut geht oder nicht.
Punkt 2: Achtsamkeit. Wie gehe ich mit mir selbst um? Was für einen Lebensstil führe ich? Wie verbringe ich meine Zeit? Welche Substanzen nehme ich? Dass sich dreimal mehr Männer als Frauen umbringen, dass Männer so viel früher sterben und dass sie viel öfters in Autounfälle verwickelt sind, hat auch mit ihrem Lebensstil und mit Self Care zu tun.
Punkt 3: Verwirklichung. Da schwingt viel Archetypisches mit. Der Wunsch, etwas weiterzugeben, etwas zu hinterlassen. Im Sinne der Verwirklichung ist „Bros for Change“ dieses Weitergeben von fürsorglicher Männlichkeit an die nächste Generation. Darin haben wir als Co-Bros eine Möglichkeit zur Verwirklichung gefunden.
Video: CoBros bei der Arbeit
Einen kurzen Einblick in die Arbeit der CoBros zeigt dieses Video über die Initiative „CoBros Next Gen“.