Wie erkennt man, ob Spielzeug sicher ist? [Podcast]

Was können Eltern tun, um es selbst zu überprüfen? Und wie hochwertig sind Spielsachen aus Asien? Diese und mehr Fragen klären wir im „Dad’s Talk“ mit Spielzeugsicherheits-Expertin Nadja Lüders.

Es gibt Dinge im Leben, die sind so selbstverständlich, dass Eltern im Alltag gar keinen Gedanken mehr daran verschwenden. Wie zum Beispiel die Sicherheit bei Kinderspielzeug.

Für Eltern ist klar, dass die Produkte, die sie für ihre Kids gekauft haben, ordentlich geprüft wurden und dementsprechend sicher sind.

Dass das nicht immer der Fall ist, davon kann Nadja Lüders ein Lied singen. Nadja ist nämlich geprüfte Fachkraft für Spielzeugsicherheit und Vorstand des Vereins „Wir machen Spielzeug e.V.“ – sie kennt die Branche also wie kaum eine andere, berät Firmen bei der Spielzeugherstellung und hilft beim Weg zur Marktreife.

Es macht durchaus Sinn, sich einen Prüfzylinder anzuschaffen. Das ist ein Röhrchen aus Plastik, das es für zwei Euro im Internet gibt. Alle Kugeln und Kleinteile, die da komplett reinpassen, sind für Kinder unter 36 Monate nicht geeignet, weil das eine potenzielle Erstickungsgefahr ist.
Nadja Lüders
Expertin für Spielzeugsicherheit

Deshalb haben wir sie auch in unseren Podcast „Dad’s Talk“ eingeladen, um mit ihr über sämtliche Aspekte von Spielzeugsicherheit, über schwarze Schafe in der Branche und über Siegel, denen man vertrauen kann, zu sprechen.

Nadja hat sich dankenswerterweise viel Zeit genommen und auch ein paar praktische Tipps verraten.

Dad’s Life im Gespräch mit Nadja Lüders

Hier könnt ihr die gesamte Folge mit Nadja Lüders anhören:

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Was genau bedeutet Spielzeugsicherheit?

Nadja Lüders: Spielzeugsicherheit ist ganz elementar. Wenn man ein Spielzeug konstruiert, muss man schon bestimmte Dimensionen einhalten oder bestimmte Materialien einsetzen, damit man das Thema letztlich gut bewerten kann. Ich spreche mit meinen Kunden den gesamten Prozess durch, man dokumentiert das bei der Herstellung und kommt so zur Serienfertigung des Spielzeuges, also zur Marktreife. Damit kann man es in der EU mit gutem Gewissen verkaufen und muss sich keine Gedanken machen, dass ein Kind durch dieses Spielzeug zu Schaden kommen könnte.

Was sind die gesetzlichen Vorgaben in der EU bezüglich Spielzeugsicherheit?

Lüders: Die gesetzliche Vorgabe ist, dass Spielzeug in der EU nur mit der CE-Kennzeichnung verkauft werden darf. Die CE-Kennzeichnung ist erstmal nur eine Kennzeichnung nach außen, dass sich der Hersteller mit dem CE-Prozess auseinandergesetzt hat. Der CE-Prozess beinhaltet, dass man das Spielzeug auf die Sicherheit in der jeweiligen Benutzergruppe überprüft hat. Wenn man zum Beispiel ein Spielzeug für Kinder unter 36 Monaten herstellt, muss man höhere Anforderungen an die Sicherheit beachten. Die größeren Kinder haben schon ein besseres Gefahrenbewusstsein.

Es ist genau vorgegeben, wie der Prozess zu durchlaufen ist. Man muss beispielsweise eine Sicherheitsbewertung der mechanischen Sicherheit, der Entflammbarkeit, der chemischen Sicherheit, der Radioaktivität, der Hygiene und der elektronischen Sicherheit machen. Das sind alles Sachen, die der Hersteller vor dem Verkauf des Spielzeugs testen und in einer technischen Dokumentation festhalten muss. Dann muss er eine Konformitätserklärung ausstellen – das ist so etwas wie der Führerschein des Spielzeugs. Die CE-Kennzeichnung ist so etwas wie das Nummernschild am Auto.

Welche Aufgabe hat der Verein „Wir machen Spielzeug e.V.“?

Lüders: Der Verein ist eine Gemeinschaft für Spielzeughersteller in Deutschland, Österreich und der Schweiz und unterstützt mit Informationen zum CE-Prozess und zu den harmonisierten Spielzeugnormen, die so im Internet nicht frei zugänglich sind. Die Spielzeughersteller bei uns im Verein unterstützen sich auch gegenseitig. Zum Beispiel, um geeignete Lieferanten zu finden. Das A und O der Spielzeugherstellung ist, eine gute Lieferkette zu haben. Also Lieferanten zu kennen, die gutes Holz liefern; die gute Farben liefern, die bereits auf Spielzeugsicherheit getestet wurden und die einem auch die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellen können.

Kann man Spielzeug auch ohne fremde Unterstützung auf den Markt bringen?

Lüders: Schwierig. Es kommt darauf an, wie viel Zeit man hat. Die gesetzlichen Vorgaben sind im Netz ja frei verfügbar und ich muss sagen, dass die Website der EU-Kommission im Bereich Spielzeug ganz schön nachgeliefert hat. Es gibt sehr viele gute Informationen, aber meistens nur auf Englisch. Wenn man also viel Zeit hat, kann man sich den Prozess selbst erschließen. Man kann sich die harmonisierten Spielzeugnormen auch kaufen, muss sich dann aber auch mit Juristendeutsch bzw. Juristenenglisch anfreunden können. Man ist einfach schneller durch den Prozess und hat ein besseres Verständnis, wenn man Beratung bucht.

Verfügen alle Spielzeughersteller über die CE-Kennzeichnung?

Lüders: Die CE-Kennzeichnung bringt so gut wie jeder an, weil man das Spielzeug ansonsten nicht verkaufen kann. Online-Plattformen wie Amazon müssen das inzwischen auch überprüfen und kontrollieren, ob eine CE-Kennzeichnung angebracht ist. Etsy überprüft hingegen nicht gut, deshalb sind etwa 80 Prozent der Spielzeuge dort ohne CE-Kennzeichnung. Auf Amazon geht es Richtung null. Wobei man eben sagen muss, dass die CE-Kennzeichnung ein Zeichen nach außen ist, das der Hersteller selbst anbringt. Das bedeutet nicht, dass der Prozess dahinter stimmt. Ein großes Problem gibt es dabei mit Importeuren, die aus Fernost importieren, sich auf ihre Lieferanten bei Alibaba oder Wish verlassen und gar nicht selber testen. Alibaba bestätigt im Prinzip alles und du bekommst auch sämtliche Zertifikate, die du brauchst. Wenn ich mir dann solche Produkte angucke, ist das meistens totaler Käse. Die Hersteller gehen damit ein hohes geschäftliches Risiko ein. Die Importeure gelten in der EU als Hersteller und haften damit.

Wie gut sind Spielzeuge aus Asien?

Lüders: Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Rückrufe Spielsachen betreffen, die aus Fernost kommen. Das heißt nicht, dass europäische Hersteller nicht auch Fehler machen. Aber es ist schon symptomatisch, dass beim Importieren zu wenig Fachwissen besteht. Manche Produktfehler könnte man mit einem gewissen Fachwissen mit freiem Auge sehen. Darum finde ich es wichtig, dass Grundzüge der Spielzeug-Sicherheit auch Eltern kennen. Dann können sie selbst entscheiden, ob das ein sinnvolles Spielzeug ist oder nicht. Wenn ein Warnhinweis dabeisteht, dass das Spielzeug nicht für Kinder unter 36 Monaten geeignet ist, hat das meistens einen Sinn. Und dann sollte man sich als Eltern auch daranhalten.

Welche Siegel und Kennzeichnungen sind vertrauenswürdig?

Lüders: In Deutschland gibt es das GS-Siegel, das heißt „Geprüfte Sicherheit“. Das ist auch das einzige Prüfsiegel, das in Deutschland im Gesetz niedergeschrieben ist. Wer dieses Siegel anbringen möchte, muss eine GS-Prüfung machen. Das Prüfinstitut muss neben dem GS-Zeichen stehen und übernimmt damit auch eine Verantwortung. Beim GS-Siegel muss auch immer ein Prüfinstitut involviert sein. Leider gibt es dieses Siegel nur bei wenigen Spielzeugarten. Durchgesetzt hat es sich bei sogenannten Aktivitätsspielzeugen wie Schaukeln oder Rutschen. Oder auch bei Aufsitzspielzeugen wie Dreiräder. Puppen findet man beispielsweise nicht mit einem GS-Siegel.

Dann gibt es auch noch pädagogische Siegel wie spielgut. Das wird von einem Verein herausgegeben, der nicht die Spielsicherheit, sondern die pädagogischen Aspekte bewertet. Dazu werden die Spielzeuge mit Spielgruppen und Eltern getestet.

In Deutschland gibt es auch noch den Blauen Engel, der vom Bundesumweltministerium mit inszeniert wird. Der „Blaue Engel“ zielt auf besonders umweltschonendes Spielzeug ab. Als Voraussetzung müssen Prüfberichte von Prüflaboren nachgewiesen werden. Es gibt derzeit nur wenige Spielzeuge, die den „Blauen Engel“ haben, da die Kriterien an den Umweltschutz relativ hoch sind.

Ökotest hat den Fokus auf Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit. Grundvoraussetzung ist auch hier die Spielzeugsicherheit, wobei Ökotest das auch immer mittestet. Auch Stiftung Warentest testet die Spielzeugsicherheit immer mit – oft auch über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Diese Test-Instanzen suchen sich das Spielzeug individuell aus, das heißt, es wird nicht jedes Spielzeug getestet.

Wie wichtig ist der Aspekt der Nachhaltigkeit bei Spielzeug?

Lüders: Das Thema Nachhaltigkeit spielt in der Gesetzgebung überhaupt keine Rolle, was ich sehr schade finde. Denn wenn man das Thema Nachhaltigkeit in die Gesetzgebung hineinbringen will, dann doch bitte bei den Kindern. Das ist unsere sensibelste Verbrauchergruppe und wenn man das Bewusstsein für Nachhaltigkeit nicht gleich im Kindergarten einpflanzt, wie sollen die Kinder dann konsumbewusste Erwachsene werden? Kritik gibt es auch immer wieder bei der chemischen Sicherheit von Spielzeug, wobei ich finde, dass es dort schon eine sehr gute Regulierung gibt. Aber nicht alles, was reguliert ist, ist auch umsetzbar. Das heißt, es gibt ganz oft Grenzwerte, die in den Laboren nicht abgeprüft werden können. Entweder sie sind zu sensibel oder es gibt keine geeigneten Prüfverfahren. Da müsste noch besser justiert werden, damit die Industrie weiß, was sie einzuhalten hat.

Ich fände auch noch gut, dass auf den Spielzeugen stehen würde, wo sie hergestellt wurden. Dann kann man als Konsument eine bewusste Entscheidung treffen. Das ist in der EU für Spielzeuge aber noch nicht vorgeschrieben.

Welche Spielzeugnormen schießen über das Ziel hinaus?

Lüders: Das große Problem der Normung ist, dass die Normen immer weiter anwachsen. Es gibt kaum Normen, wo einmal ausgemistet wird, weil gar keine Unfälle passieren. Es müsste aus meiner Sicht eine einheitliche Unfalldatenbank zu führen, wo Unfälle bewertet werden. Es macht ja keinen Sinn, Produkte künstlich zu normieren, wenn gar keine Gefahren auftreten. Manchmal wurden früher auch Gefahren angenommen, die es in der Realität nicht gibt. Als Expertin erschließen sich mir einige Vorgaben nicht und ich kann sie auch nicht eruieren. Da müsste meiner Meinung nach nachgebessert werden, damit die Normen schlüssig und verständlich sind – auch mit Bildern. So wüssten die Hersteller genau, was sie tun müssten und auch verstehen, warum sie das machen.

Kann man als Eltern selbst auch die Spielzeugsicherheit überprüfen?

Lüders: Es gibt Dinge, die durchaus Sinn machen, wenn man sie zu Hause hat. Zum Beispiel der Prüfzylinder. Das ist ein Röhrchen aus Plastik, das man für zwei Euro im Internet kaufen kann. Alle Kugeln oder Kleinteile, die in diesen Zylinder passen, sind nicht für Kinder unter 36 Monaten geeignet, weil das eine potenzielle Erstickungsgefahr ist. Dieser Zylinder sollte auch standardmäßig in jedem Kindergarten vorhanden sein. Damit die Erzieher wissen, was sie den kleineren bzw. größeren Kindern geben können. Ansonsten zählt natürlich der gesunde Menschenverstand. Die meisten Eltern haben gut im Gefühl, was ihre Kinder können und was nicht. Und Kinder unter drei Jahren sollten beim Spielen sowieso angeleitet und beobachtet werden. Das heißt nicht, dass sie nicht alleine spielen sollen, sondern dass wir Eltern ihnen nur Spielsachen geben, mit denen sie sicher spielen können. Deswegen: Gefahrenhinweise, Gebrauchsanleitungen und Altersempfehlungen der Hersteller unbedingt beachten!

Wie hat sich die Spielzeugsicherheit im Laufe der Zeit verändert?

Lüders: 2013 ist die neue Spielzeugrichtlinie in Kraft getreten, in der strengere Vorgaben formuliert wurden. Bis 2013 gab es noch sehr viele Spielzeuge, die nicht CE-gekennzeichnet waren. Oder wo das CE-Zeichen einfach draufgeklebt wurde, aber nichts dahinterstand. Mittlerweile wurde verstanden, dass hinter der CE-Kennzeichnung etwas steht, das überprüft werden muss. Die EU-Kommission hat auch bessere Informationen zum Thema Spielzeugsicherheit zur Verfügung gestellt. Das Thema hat bei den Herstellern generell mehr Relevanz bekommen. Die Relevanz hängt immer auch damit zusammen, dass es besser reguliert wird. Wir brauchen die Gesetze, damit die Hersteller etwas machen. Von alleine macht man nichts. Ich würde von alleine auch keine Steuererklärung abgeben, wenn ich nicht müsste. Auch im Bereich Nachhaltigkeit hat sich in den vergangenen Jahren viel getan, auch weil die Verbraucher viel mehr nachfragen.

Was macht ein gutes Spielzeug aus?

Lüders: Liebe bei der Gestaltung. Wenn man Spielzeuge ansieht, sieht man, ob sie mit Liebe gestaltet wurden und ob sich wer dabei etwas gedacht hat. Und dass sie von Kindern getestet sind, ist auch ein wichtiger Aspekt, letztlich sollen ja die Kinder damit spielen und nicht die Eltern. Man kauft die Spielzeuge, damit die Kinder Fertigkeiten erlernen oder einfach beschäftigt sind. Liebe, Kreativität, Nachhaltigkeit und Humor wären meine vier Kriterien bei Spielzeug.


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