Sind teure Kinderfahrräder wirklich besser? [Podcast]

Und worauf muss man beim Kauf besonders achten? Diese und mehr Fragen klären wir im „Dad’s Talk“ mit Fahrrad-Experte Sebastian Tegtmeier von bike-components.

Wenn es einen Experten im Kinderfahrrad-Bereich gibt, dann ist es wohl Sebastian Tegtmeier.

Der 41-Jährige ist nicht nur von Kindesbeinen an leidenschaftlicher Radfahrer, sondern hat auch seine berufliche Karriere zu weiten Teilen in der Fahrrad-Branche verbracht.

Und: Basti ist auch Gründer einer eigenen Kinderfahrrad-Marke, die er vor Jahren witzigerweise an jene Firma verkauft hat, für die er nun seit Frühjahr 2022 arbeitet: nämlich bike-components.

Dort gibt es u.a. die bekannten und begehrten Early Rider-Kinderräder, die zusammen mit den woom-Bikes den Kinderfahrrad-Markt ordentlich aufgemischt haben.

Aber sind diese zum Teil sehr teuren Räder ihr Geld wirklich wert? Was ist da besser als bei anderen Marken? Und welche Kinderräder würde er empfehlen?

Nicht jedes Kind braucht ein hochqualitatives Fahrrad. Aber mit einem gewissen Anspruch an das Fahrrad und an die Performance, die das Fahrrad abliefern soll, macht es natürlich Sinn. Man bekommt bessere, wertigere Komponenten, die im Endeffekt immer leichter zu bedienen sind. Ich habe schon viele Kinder gesehen, die im letzten Gang rumfahren, weil sie die Drehgriffschaltung von ihrem günstigen Rad nicht mehr zurückgedreht bekommen. Auch die Bremsen sind besser dosierbar. Kinderräder können nicht günstiger sein als Erwachsenen-Fahrräder, wenn man die gleich hochwertigen Komponenten verbaut. Von da her sind die Preise schon gerechtfertigt. Man muss nur schauen, ob man es auch wirklich braucht.

Diese und noch mehr Fragen haben wir mit Basti in dieser Folge des „Dad’s Talk“ ausführlich behandelt und der Rad-Experte hat sie dankenswerterweise sehr ausführlich und vor allem ehrlich beantwortet.

Dad’s Life im Gespräch mit Sebastian Tegtmeier

Hier könnt ihr die gesamte Folge mit Sebastian Tegtmeier anhören:

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Sind teure Kinderfahrräder ihr Geld wert?

Sebastian Tegtmeier: Man muss einfach gucken, was man braucht. Nicht jedes Kind braucht ein Kinderrad, das 700, 800 oder sogar mehrere tausend Euro kostet. Wenn man im Flachland wohnt und nur mehrere hundert Meter zum Spielplatz rollen möchte, dann haben diese No-Name-Modelle durchaus eine Daseinsberechtigung. Aber mit einem gewissen Anspruch an das Fahrrad und an die Performance, die das Fahrrad abliefern soll, macht es natürlich Sinn. Man bekommt bessere, wertigere Komponenten, die im Endeffekt immer etwas leichtgängiger zu bedienen sind. Ich habe schon viele Kinder gesehen, die im letzten Gang rumfahren, weil sie die Drehgriffschaltung von ihrem günstigen Rad nicht mehr zurückgedreht bekommen. Auch die Bremsen sind besser dosierbar.

Kinderräder können nicht günstiger sein als Erwachsenen-Fahrräder, wenn man die gleich hochwertigen Komponenten verbaut. Von da her sind die Preise schon gerechtfertigt. Man muss nur schauen, ob man es auch wirklich braucht. Und man sollte auch schauen, dass die Kinder das teure Rad dann auch entsprechend behandeln. Es sollte also nicht ständig auf die Schaltung knallen oder beim Supermarkt in diese Ständer reingeschoben werden, wo die Bremsscheibe verbiegen kann.

Wie gut sind Billig-Kinderräder?

Tegtmeier: Ein Billig-Kinderrad wird immer schwergängiger, schwerer zu bedienen sein und hat vielleicht auch noch so technische Gräueltaten wie die Rücktrittbremse. Mit der sollte eigentlich kein Kinderrad mehr ausgestattet sein. Die Reaktionszeit, die man von der Vorwärts- in die Rückwärtsbewegung hat, um die Rücktrittbremse auszulösen, ist einfach zu lang. Es ist aber vollkommen okay, ein günstiges Rad zu nehmen, wenn das Kind nur im Hof, auf der Spielstraße oder mal zum Spielplatz fährt.

Wie sehr haben Marken wie woom oder Early Rider den Markt verändert?

Tegtmeier: Die beiden Marken haben eine sehr unterschiedliche Ausrichtung. woom spielt im Wesentlichen mit den Ängsten der Eltern. Sie gehen sehr auf das Sicherheitsbedürfnis der Eltern ein, wie zum Beispiel Ergonomie oder den unterschiedlich eingefärbten Bremshebeln. Das sind für mich eher Erwachsenen- als Kinderthemen. Das Kind bekommt aber schon ein sehr gutes Rad. Early Rider geht hingegen mehr auf den Style und den Look: Gebürsteter Alurahmen, schlichte schwarze Komponenten, dazu hin und wieder mal ein Teilchen aus Leder. Das ist eine andere Zielgruppe als bei woom. Beide Marken haben eine absolute Daseinsberechtigung, weil es gute Produkte sind, mit denen ein Nerv getroffen wurde. Und das rechtfertigt auch die höheren Preise, weil ein spezifischeres Produkt entwickelt wurde, was für die Zielgruppe besser funktioniert.

Wie gut ist der Wiederverkaufswert von teuren Kinderfahrrädern?

Tegtmeier: Der Vorteil von hochwertigen Kinderfahrrädern ist, dass sie nicht lange gefahren werden. Und meistens ganz gut gewartet und gepflegt werden. Das heißt, man hat dann meist ein gut erhaltenes Gebrauchtrad. Natürlich spielt auch die Verknappung eine Rolle. Das treibt den Wiederverkaufswert zusätzlich nach oben. Dann kann es passieren, dass ein Gebrauchtrad teuer ist, als das Neue, weil es aktuell ausverkauft ist.

Was sind die wichtigsten Kriterien beim Kauf eines Kinderfahrrads?

Tegtmeier: Über allem steht immer die Geometrie. Man kann die tollsten Dinge an ein Kinderfahrrad schrauben, wenn die Geometrie nicht passt und das Kind sich nicht wohlfühlt, ist es wertlos. Das Kind kann nicht genau sagen, was das Problem ist, aber es wird das Rad ablehnen und sagen, dass es nicht gut fährt. Die Geometrie muss sehr ausbalanciert sein und darf nicht extrem in eine Richtung sein. Kinder fahren viel statischer als wir Erwachsene. Sie pedalieren mehr im Sitzen, dementsprechend können sie weniger kompensieren. Wenn die Geometrie passt, sind noch die Kontaktpunkte entscheidend: Also die richtige Kurbellänge und Kurbelbreite, die Pedale und der Sattel müssen passen, der Griffe beim Lenker dürfen nicht zu breit sein und natürlich müssen die Abstände zu den Bremshebeln stimmen.

Ein gutes Kinderrad kann daher nicht billig sein, weil man viele Dinge bedenken und optimieren muss. Man hat nicht viel Toleranz, wenn man bedenkt, wie nah der Bremshebel an den Lenker muss, damit eine Kinderhand vernünftig drankommt und nicht immer mit ausgestreckten Fingern versucht, diesen Hebel da vorne zu fischen. Man braucht eine ordentliche Bremse, ordentliche Hebel, ordentliche Bremsarme oder Scheibenbremsen, man muss sehr gut gemachte Laufräder haben, die sehr sauber zentriert sind – das läppert sich.

Wie gut sind Stützräder bei Kinderfahrrädern?

Tegtmeier: Wenn ich sehe, wie einjährige Kinder mit ihren Laufrädern durch die Parks fegen, die Beine hochnehmen, stabil rollen und Kurven nehmen, frage ich mich, wozu sie Stützräder brauchen? Ich habe noch kein Kind kennengelernt, dass länger als eine halbe Stunde gebraucht hat, um Fahrradfahren zu lernen. Also, wenn es vorher schon Laufradfahren konnte. Man darf nur keinen Stress aufbauen, dann klappt es nämlich bestimmt nicht.

Welche Größe sollte man bei einem Kinderfahrrad nehmen, wenn das Kind zwischen zwei Zollgrößen liegt?

Tegtmeier: Ich habe meine Kinder immer auf das größere Rad gesetzt. Es geht da gar nicht so sehr um die Rahmengröße, sondern viel mehr um die Laufradgröße. Ich bin der festen Überzeugung, dass je eher sie das nächstgrößere Laufrad erreichen, desto stabiler und kräfteschonender fahren sie, weil die Räder leichter rollen. Darum bin ich dafür, dass Kinder möglichst schnell – natürlich, wenn es auch passt – auf die nächste Rahmengröße kommen. Ich bin überhaupt kein Fan dieser Bevorratung. Also, dass man seinem Kind statt eines 20-Zoll-Fahrrads ein 24- oder 26 Zoll-Rad kauft, damit es das dann die nächsten fünf Jahre fahren kann. Das ist nicht der richtige Weg und wird von den Kindern meist auch nicht akzeptiert. Es könnte auch den Spaß am Radfahren verlieren.

Wie sinnvoll sind E-Bikes bei Kindern?

Tegtmeier: Man macht einen fatalen Fehler, wenn man Kinder auf das selbe System wie Erwachsene setzt. Was ein moderner Bosch- oder Shimano-Motor kann – auch mit seiner Batterie-Kapazität – übersteigt alles, was ein Kind braucht. Selbst wenn die Motoren in ihrem Drehmoment reduziert sind, werden die Kinder mit zu viel Wucht durch die Landschaft gepresst. Im Wald oder im Gelände ist so etwas schnell außer Kontrolle. Bei einem Kindergewicht schieben die Motoren auch mit reduzierter Leistung brutal an. Kinder brauchen auch bei weitem nicht die Akku-Kapazität wie Erwachsene. Ein gut gemachtes Kinder-E-Bike hat dennoch seine Daseinsberechtigung. Wenn man zum Beispiel etwas außerhalb und erhöht wohnt, macht es für Kinder schon Sinn, dass sie die Höhenmeter mit Unterstützung fahren können. Man muss einfach gucken, wie man es einsetzt.

Worauf sollte man beim Kauf von E-Bikes generell achten?

Tegtmeier: Menschen kaufen oft mehr als sie brauchen. Wir kaufen bei Rädern oft Federelemente, die wir nicht brauchen, da sind dann auch noch Knöpfe dran, die wir nicht verstehen. Und bei E-Bikes ist das meiner Meinung nach dasselbe. Dieses Rennen nach Wattstunden im Akku-Drehmoment im Motor kann ich nicht nachvollziehen. Der Kunde versteht oft zu wenig, was er wirklich braucht. Deswegen kauft er deswegen oft das absolute Maximum. Nach dem Motto: Haben ist besser als brauchen. Irgendwo verständlich, aber nicht richtig. Man braucht immer eine vernünftige Beratung, die dir sagt, was es gibt und was du brauchst. Was es beim E-Bike braucht, ist ein vernünftiger Antrieb mit einem vernünftigen Servicenetz dahinter. Es ist auch wichtig, dass man in den Details auf Qualität achtet. Aber es ist egal, ob dahinter ein Shimano-XT-Schaltwerk dran ist, wenn der Laufradsatz nicht für die Ansprüche an ein E-Bike gemacht wurde. Ein XT-Schaltwerk schaltet auch nur gut, wenn oben der XT-Schalthebel dran ist. Ansonsten kann das Schaltwerk nicht besser schalten als ein billiges.

Welche Kinderfahrräder sind empfehlenswert?

Tegtmeier: Wenn man ein sehr gutes, leichtes und gut funktionierendes Kinderrad haben möchte, macht man mit einem woom nichts falsch. Die günstigere, aber nicht schlechtere Alternative wäre Academy, das ist eine Serie von Scool. Wenn man auf Style aus ist, würde ich immer Early Rider empfehlen, weil sie toll gemacht sind und schick aussehen. Und wenn man Performance möchte, ist es meiner Meinung nach VPACE. Was die Macher super hingebracht haben, ist die Dimensionierung. Sie dimensionieren die Kinderräder so, wie sie für ein Kind sein müssen. Deshalb sind sie für mich die besten Kinderräder im sportiven Bereich.


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